Bombastischer Haderlumpen-Abschied

„Es war ein Wellenbad der Gefühle. Mit nichts zu vergleichen. Einfach einzigartig. Ich habe in meinem ganzen bisherigen Leben nicht so viel geweint wie in dieser einen Nacht“, erzählt Vitus Amor am Tag nach dem großen Abschieds-Open-Air im Garten sitzend und immer noch sichtlich bewegt von den vergangenen Stunden. Sogar jetzt verschlägt es dem Chef der Haderlumpen noch die Stimme, wenn er an die vergangenen 35 gemeinsamen Jahre und vor allem die letzte Nacht zurückdenkt, die für die Haderlumpen erst um sechs Uhr früh endete. „Es hat schon am Nachmittag begonnen. Ich weiß noch, dass ich den anderen beiden in unserer WhatsApp-Gruppe schrieb, dass ich es am Abend sicher nicht schaffe ihnen das zu sagen, aber es waren 35 gewaltige Jahre, die ich um nichts in der Welt missen möchte. Reinhard und Peter antworteten mit unglaublichen Sätzen.“ Der emotionale Auftakt für einen bombastischen Abend. Gegen 18:00 Uhr trafen sich die drei bei Vitus auf einen Kaffee bevor es gemeinsam gegen 19:00 Uhr auf das Open-Air-Gelände ging. Als sie eineinhalb Stunden später die Bühne betraten, schlug ihnen eine Welle der Begeisterung entgegen und es zeigte sich bereits ganz klar, dass dieser Abschied unvergleichlich wird. „Die Menschenmenge war ein Wahn, kaum stimmten wir eines unsere Lieder an, fielen sie mit ein. Diese Gefühle, das was du in diesem Moment körperlich spürst, einfach unbezahlbar. Du spielst deine eigenen Lieder, die jung und alt begeistern“, erzählt Peter glücklich und sichtlich dankbar für diese Stunden.

Von 20:30 Uhr bis 00:30 Uhr gaben die Haderlumpen ohne Pause Vollgas, getragen von der Energie ihrer Fans. Landeshaupmann Stellvertreter Josef Geisler und Tourismusverbandsobmann  Ferdinand Lechner gratulierten den drei genauso persönlich auf der Bühne wie zahlreiche Zillertaler Bürgermeister, die ebenso wie die tausenden Fans das Open-Air-Gelände zum Vibrieren brachten. Besonders emotional war der Auftritt der insgesamt acht Kinder der drei Musiker. Spontan hatten die 14- bis 33-Jährigen während des Open-Airs entschieden, zusammen auf die Bühne zu gehen, um ihren Vätern zu sagen, wie stolz sie auf sie sind und, dass sie Verständnis dafür haben, dass diese so häufig unterwegs waren. „Dieser Augenblick übertraf alles, was man sich vorstellen kann. Es war die Krönung. Danke an euch, danke unseren Familien. Unsere Frauen, die all die Jahre hindurch an unserer Seite standen, haben uns unterstützt, uns diesen einmaligen Erfolg erst ermöglicht. Denn kein Erfolg ist wirklich schön, wenn du nach dem Konzert in ein einsames Haus kommst“, so Vitus tief berührt. 

Vergelt´s Gott, das letzte Lied des Open Airs, stand schon seit Monaten fest. Dass dies ein besonders schwerer Moment werden würde, war Vitus, Peter und Reinhard schon vorher klar. Bereits Wochen zuvor äußerten sie ihre Befürchtung, dass ihnen dabei die Stimmen versagen könnten. Und so war es dann auch wie Vitus erzählt, während ihn selbst am Tag danach noch die Gefühle überwältigen. „Es waren alle Lieder schwer zu singen. Aber schon kurz nachdem Peter das Vergelt´s Gott angestimmt hatte, übermannte es uns. Ich weiß noch, dass ich hörte, wie Peter die Stimme versagte. Er blickte zu mir, ich blickte zu ihm und ein Damm brach.“ Eng beisammen stehend, getragen von den Stimmen ihrer Fans, die für sie weiter sangen, erlebten die Haderlumpen ein fulminantes Ende ihrer einzigartigen Karriere. Ihre Familien, engsten Freunde und Wegbegleiter empfingen die drei schließlich hinter der Bühne. Es dauerte Stunden, bis sich die Haderlumpen gefasst hatten. Erst gegen vier Uhr früh verließen sie gemeinsam den Backstage-Bereich und schritten über das Open-Air-Gelände.

Die drei Vollblutmusiker starteten gemeinsam 1987 als „Schualabuam“ von gerade einmal 16 Jahren. Ihren ersten Auftritt absolvierten sie am 6. Juni noch unter dem Namen „Drei lustige Zillertaler“, bevor sich sich umbenannten und die „Zillertaler Haderlumpen“ ihre Geburtsstunde erlebten. Siege bei volkstümlichen Musikantenwettbewerben folgten. Aus der anfänglichen Zeltfestpartie, die die großen Hits anderer Gruppen zum Besten gab, entstand auch dank Helmut Rasinger der ganz eigene Haderlumpen-Sound. Der Produzent Helmut Rasinger war von der ersten Haderlumpen-Minute mit seinem Musiklabel Hera mit von der Partie. „Mir war klar, dass die drei sehr viel Potential hatten, aber um wirklich erfolgreich zu werden, ihr eigenes Standing schaffen müssen“, so Helmut, der am Samstag auch sichtlich mit den Emotionen und Tränen kämpfte, während er gemeinsam mit den Haderlumpen die vergangenen 35 Jahre feierte und die drei mit einer Auszeichnung über 1,5 Millionen verkaufte Tonträger überraschte.

Sonntag Nachmittag zog es die drei Musiker wieder auf das Open-Air-Gelände, wo die Bühne gerade abgebaut wurde. „Es war uns wichtig, uns noch einmal persönlich bei der Mannschaft im Hintergrund zu bedanken. An die 200 Menschen von Vereinsmitgliedern bis hin zu Technikern haben uns bei diesem letzte Konzert unterstützt. Ohne sie wäre das alles nicht möglich gewesen. Zu spüren, dass so viele Menschen hinter uns stehen, ein Wahn“, so Reinhard tief berührt. Am Montag, den 15. August wird es schließlich noch einmal emotional. Gemeinsam räumen sie ihren Tourbus aus. Diesen letzten Schritt heraus aus ihrer Haderlumpen-Welt wollen sie allein gehen. „Ein letzter schwerer Schritt, doch seit gestern Nacht wissen wir, dass wir uns selbst ein Lebenswerk geschaffen haben, auf das wir stolz sein dürfen“, so die drei. 

Insgesamt nahmen sie 29 CDs auf, drei DVDs entstanden, sie spielten auf über 4.000 Konzerten, waren mehr als 500 Mal im Fernsehen und gewannen 2007 den Grand Prix´der Volksmusik. Ihre Konzerte brachten die Haderlumpen quer durch ganz Europa bis in die USA. Alleine heuer spielten die sie 80 Konzerte. „Wir haben zwar am 13. August unser letztes gemeinsames Konzert gegeben, doch unser Publikum hat uns gezeigt, dass sich die Türen der Haderlumpenwelt dadurch für sie nicht schließen. Zu wissen, dass unsere Hits allen voran „1, 2 oder 3000 Jahre“ längst zum Standardrepertoire zahlreicher Musikgruppen zählen, ist ein phänomenales Gefühl. Wir können nicht mehr als Danke sagen. Zu unseren Familien, Freunden, Wegbegleitern, Fans. Es waren 35 unvergleichliche Jahre, die Erinnerungen daran und vor allem an diese eine letzte Nacht werden uns bis zur letzten Minute unseres Lebens begleiten. Danke, Pfiat eich und Vergelt´s Gott!“